Hallo Markus,
Den Namen Bin Laden kennt ja jeder denk ich mal. Wenn ich mir andere
arabische Namen angucke, dann sehe ich dort aber viel öfter die
Formulierung ibn statt bin. Und oft findet man auch wenn man danach
googled BEIDE schreibweisen. Woran liegt das?
An einem Zusammenspiel zweier Effekte der Wortbildung sowie der
Phonotaktik im Arabischen.
Arabische Wortbildung funktioniert mit einem System aus Wortwurzeln, die
aus mehreren Konsonanten bestehen - meist drei oder vier, aber es gibt
ein paar seltene Wurzeln mit zwei Konsonanten. Die Wurzel "bn" mit der
Bedeutung "Sohn" ist eine solche.
Arabische Silben können nicht mit mit einer Konsonantenhäufung mehr als
einem Konsonanten beginnen. In Fällen, wo sie das tun müßten (z.B. als
Ergebnis irgendwelcher morphosyntaktischen Regeln), wird im Arabischen
üblicherweise vorn ein Hilfsvokal angefügt. D.h. wenn wir die Wurzel
/bn/ nehmen und die Endung /-u/ für den Nominativ anhängen, erhalten wir
*/bnu/, was mit der arabischen Phonotaktik unvereinbar ist. Also muß
ein Hilfsvokal davor, hier ein /i-/, und wir erhalten /ibnu/. Namen
werden heutzutage üblicherweise in der Pausalform gelesen, bei der die
Beugungsendungen weggelassen werden, wir erhalten also /ibn/.
Geschrieben wird das mit einem Alif, wie bei auf Vokal anlautendenden
Wörtern generell, und der Umstand, daß der Vokal ein Hilfsvokal ist, der
auch wegfallen kann, kann durch ein Hilfzeichen (/wasla/, <ٱ>) markiert
werden.
Im Arabischen werden Hilfsvokale gerne am Ende von Wörtern angehängt
(und nicht am Anfang). Wenn vor dem */bnu/ also ein Wort steht, das auf
einen Konsonanten endet, wird der Hilfsvokal diesem Wort zugeschlagen,
und in der Schrift taucht dann nur noch <بن> auf, wo wir auch "bin"
lesen könnten. Die Konsonantenhäufung kann auch ganz ohne Hilfsvokal
aufgelöst werden, wenn vor dem */bnu/ schon ein Wort steht, das auf eine
offene Silbe endet (also meist auf einen Kurzvokal). Dann wird das "b"
bei der Aussprache dieser offenen Silbe zugeschlagen. Z.B. titelte 2001
al-Hayat bei der Veröffentlichung des Textes des ersten Bin
Laden-Videobandes nach dem Attentat <هكذا تكلم بن لادن>, voll
vokalisiert also /hakaḏā takallama bnu lādina/ "Also sprach Bin Laden"
(Anspielung auf Nietzsche, wegen der im Artikel stattfinden Analyse von
Bin Ladens quasireligiösem Sprachgebrauch). Phonotaktisch gesehen haben
wir hier zwei Silben: /ma|b/ und /nu/ (die Wortgrenze zählt nicht), also
keine Konsonantenhäufung. In beiden Fällen braucht das Arabische keinen
Hilfsvokal /i-/ am Anfang des Wortes, und dementsprechend wird es auch
nicht geschrieben. Das sind die Regeln für das Hocharabische, an die
sich auch Bin Laden hält, wenn er Hocharabisch redet (was er meistens tut).
Wenn arabische Namen in den Dialekten auftauchen, kann das Wort auch
anders vokalisiert werden, z.B. indem ein epenthetischer Vokal in der
Mitte eingefügt wird. Dann erhalten wir "bin", und daher die englische
(oder allgemein westliche) Schreibung "Bin Laden" in der
Lateinschrift. Bei Bin Laden sieht man im übrigen mittlerweile auch im
Arabischen gelegentlich die Schreibung ohne Alif, weil der Name in
dieser Aussprache so bekannt ist, daß sich die aussprachengemäße
Schreibung gegenüber der orthographischen Schreibregel des
Hocharabischen durchsetzt. Ähnliches passiert übrigens auch bei der
Entlehnung in andere Sprachen, z.B. ins Indonesische, wo Namen mit "Bin"
sehr häufig sind, weil sie so besser mit den Ausspracheregeln des
Indonesischen vereinbar sind.
Philipp