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[arabisch] bin - ibn
(zu alt für eine Antwort)
wer.bin.ich
2008-07-06 08:20:59 UTC
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Hallo zusammen,

Den Namen Bin Laden kennt ja jeder denk ich mal.
Wenn ich mir andere arabische Namen angucke,
dann sehe ich dort aber viel öfter die
Formulierung ibn statt bin. Und oft findet man
auch wenn man danach googled BEIDE schreibweisen.
Woran liegt das? Wenn man sich bei Youtube
Videos raussucht, wo diese Namen von Arabern
ausgesprochen werden, klingt das immer
mehr nach "chim". Also bei Osama "chimladn".

Markus
Angela Braun
2008-07-06 09:59:20 UTC
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Post by wer.bin.ich
Hallo zusammen,
Den Namen Bin Laden kennt ja jeder denk ich mal.
Wenn ich mir andere arabische Namen angucke,
dann sehe ich dort aber viel öfter die
Formulierung ibn statt bin. Und oft findet man
auch wenn man danach googled BEIDE schreibweisen.
Woran liegt das? Wenn man sich bei Youtube
Videos raussucht, wo diese Namen von Arabern
ausgesprochen werden, klingt das immer
mehr nach "chim". Also bei Osama "chimladn".
Markus
Hallo Markus,

was das "Bin" in o.g. Namen bedeutet, weiß ich zwar nicht,
aber "ibn" bedeutet "Enkel von".
In den Namen findet man dann:
X ben (Sohn von) Y ibn (Enkel von) Z.

Gruß
Angela
Peter Bruells
2008-07-06 10:18:55 UTC
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Post by Angela Braun
Post by wer.bin.ich
Hallo zusammen,
Den Namen Bin Laden kennt ja jeder denk ich mal. Wenn ich mir
andere arabische Namen angucke, dann sehe ich dort aber viel öfter
die Formulierung ibn statt bin. Und oft findet man auch wenn man
danach googled BEIDE schreibweisen. Woran liegt das? Wenn man sich
bei Youtube Videos raussucht, wo diese Namen von Arabern
ausgesprochen werden, klingt das immer mehr nach "chim". Also bei
Osama "chimladn".
Markus
Hallo Markus,
was das "Bin" in o.g. Namen bedeutet, weiß ich zwar nicht,
aber "ibn" bedeutet "Enkel von".
X ben (Sohn von) Y ibn (Enkel von) Z.
Karl May? ;-)

ibn/bin/ben ist alles das Gleiche, soweit ich weiß. Verschiedene
Translitationen des arabischen Originals (das ja auch sein Pendant im
Hebräsichen "ben" hat.

Die Reihe wird dann angeben als

Halef ben (Omar ben (Dawud ben Isa))

Also als Folge eines "Sohn des."
Philipp Reichmuth
2008-07-06 09:56:15 UTC
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Hallo Markus,
Den Namen Bin Laden kennt ja jeder denk ich mal. Wenn ich mir andere
arabische Namen angucke, dann sehe ich dort aber viel öfter die
Formulierung ibn statt bin. Und oft findet man auch wenn man danach
googled BEIDE schreibweisen. Woran liegt das?
An einem Zusammenspiel zweier Effekte der Wortbildung sowie der
Phonotaktik im Arabischen.

Arabische Wortbildung funktioniert mit einem System aus Wortwurzeln, die
aus mehreren Konsonanten bestehen - meist drei oder vier, aber es gibt
ein paar seltene Wurzeln mit zwei Konsonanten. Die Wurzel "bn" mit der
Bedeutung "Sohn" ist eine solche.

Arabische Silben können nicht mit mit einer Konsonantenhäufung mehr als
einem Konsonanten beginnen. In Fällen, wo sie das tun müßten (z.B. als
Ergebnis irgendwelcher morphosyntaktischen Regeln), wird im Arabischen
üblicherweise vorn ein Hilfsvokal angefügt. D.h. wenn wir die Wurzel
/bn/ nehmen und die Endung /-u/ für den Nominativ anhängen, erhalten wir
*/bnu/, was mit der arabischen Phonotaktik unvereinbar ist. Also muß
ein Hilfsvokal davor, hier ein /i-/, und wir erhalten /ibnu/. Namen
werden heutzutage üblicherweise in der Pausalform gelesen, bei der die
Beugungsendungen weggelassen werden, wir erhalten also /ibn/.
Geschrieben wird das mit einem Alif, wie bei auf Vokal anlautendenden
Wörtern generell, und der Umstand, daß der Vokal ein Hilfsvokal ist, der
auch wegfallen kann, kann durch ein Hilfzeichen (/wasla/, <ٱ>) markiert
werden.

Im Arabischen werden Hilfsvokale gerne am Ende von Wörtern angehängt
(und nicht am Anfang). Wenn vor dem */bnu/ also ein Wort steht, das auf
einen Konsonanten endet, wird der Hilfsvokal diesem Wort zugeschlagen,
und in der Schrift taucht dann nur noch <بن> auf, wo wir auch "bin"
lesen könnten. Die Konsonantenhäufung kann auch ganz ohne Hilfsvokal
aufgelöst werden, wenn vor dem */bnu/ schon ein Wort steht, das auf eine
offene Silbe endet (also meist auf einen Kurzvokal). Dann wird das "b"
bei der Aussprache dieser offenen Silbe zugeschlagen. Z.B. titelte 2001
al-Hayat bei der Veröffentlichung des Textes des ersten Bin
Laden-Videobandes nach dem Attentat <هكذا تكلم بن لادن>, voll
vokalisiert also /hakaḏā takallama bnu lādina/ "Also sprach Bin Laden"
(Anspielung auf Nietzsche, wegen der im Artikel stattfinden Analyse von
Bin Ladens quasireligiösem Sprachgebrauch). Phonotaktisch gesehen haben
wir hier zwei Silben: /ma|b/ und /nu/ (die Wortgrenze zählt nicht), also
keine Konsonantenhäufung. In beiden Fällen braucht das Arabische keinen
Hilfsvokal /i-/ am Anfang des Wortes, und dementsprechend wird es auch
nicht geschrieben. Das sind die Regeln für das Hocharabische, an die
sich auch Bin Laden hält, wenn er Hocharabisch redet (was er meistens tut).

Wenn arabische Namen in den Dialekten auftauchen, kann das Wort auch
anders vokalisiert werden, z.B. indem ein epenthetischer Vokal in der
Mitte eingefügt wird. Dann erhalten wir "bin", und daher die englische
(oder allgemein westliche) Schreibung "Bin Laden" in der
Lateinschrift. Bei Bin Laden sieht man im übrigen mittlerweile auch im
Arabischen gelegentlich die Schreibung ohne Alif, weil der Name in
dieser Aussprache so bekannt ist, daß sich die aussprachengemäße
Schreibung gegenüber der orthographischen Schreibregel des
Hocharabischen durchsetzt. Ähnliches passiert übrigens auch bei der
Entlehnung in andere Sprachen, z.B. ins Indonesische, wo Namen mit "Bin"
sehr häufig sind, weil sie so besser mit den Ausspracheregeln des
Indonesischen vereinbar sind.

Philipp
Andreas Eibach
2008-07-12 03:49:41 UTC
Permalink
"Philipp Reichmuth" <philipp.reichmuth+***@gmail.com> schrieb:
Hi, für mich steckt da irgendwo ein Widerspruch drin ...
Post by Philipp Reichmuth
D.h. wenn wir die Wurzel
/bn/ nehmen und die Endung /-u/ für den Nominativ anhängen, erhalten wir
*/bnu/, was mit der arabischen Phonotaktik unvereinbar ist. Also muß
ein Hilfsvokal davor, hier ein /i-/, und wir erhalten /ibnu/. Namen
werden heutzutage üblicherweise in der Pausalform gelesen, bei der die
Beugungsendungen weggelassen werden, wir erhalten also /ibn/.
Ja. Also ohne "u".
Post by Philipp Reichmuth
Z.B. titelte 2001
al-Hayat bei der Veröffentlichung des Textes des ersten Bin
Laden-Videobandes nach dem Attentat <هكذا تكلم بن لادن>, voll
vokalisiert also /hakaḏā takallama bnu lādina/ "Also sprach Bin Laden"
Ha. Jetzt doch mit "u"!

Also was hat es mit dieser "Pausalform" auf sich? Wann nimmt man die denn
bei Namen, und wann nicht?

-Andreas
Philipp Reichmuth
2008-07-13 13:13:22 UTC
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Hi Andreas,
Post by Andreas Eibach
Namen werden heutzutage üblicherweise in der Pausalform gelesen, bei der die
Beugungsendungen weggelassen werden, wir erhalten also /ibn/.
Ja. Also ohne "u".
Richtig. War ja auch als Pausalform angekündigt.
Post by Andreas Eibach
[...] Z.B. titelte 2001
al-Hayat bei der Veröffentlichung des Textes des ersten Bin
Laden-Videobandes nach dem Attentat <هكذا تكلم بن لادن>, voll
vokalisiert also /hakaḏā takallama bnu lādina/ "Also sprach Bin Laden"
Ha. Jetzt doch mit "u"!
Richtig. War ja auch als voll vokalisiert angekündigt. 8)
Post by Andreas Eibach
Also was hat es mit dieser "Pausalform" auf sich? Wann nimmt man die denn
bei Namen, und wann nicht?
Pausalform <http://de.wikipedia.org/wiki/Pausalform> ist kurz gesagt
eine Ausspracheweise in den semitischen Sprachen, bei der Dinge am
Wortende weggelassen werden; im Arabischen betrifft das einzelne
auslautende Kurzvokale, vor allem bei Flexionsendungen (für andere
semitische Sprachen wie Hebräisch oder Akkadisch müßte ich mich zu weit
aus dem Fenster lehnen). D.h. aus arabisch <كتب> /kataba/ "er schrieb"
wird /katab/, aus <محمد> /Muḥammadun/ wird /Muḥammad/, etc.

Wo man die im Arabischen nimmt, hängt davon ab, auf welcher Sprachebene
wir uns befinden (klassisches Arabisch, modernes Hocharabisch) und was
wir mit dem Text anstellen (einzelne arabische Wörter in nichtarabischer
Textumgebung, Wiedergabe eines arabischen Textes, voll vokalisierte
Transkription). Grob gesagt tritt Pausalform im klassischen Arabisch am
Satz- und Versauslaut und vor Sprechpausen auf; im modernen Hocharabisch
kann sie, soweit der Sinn dadurch nicht verloren geht, auf praktisch
alle Wörter ausgeweitet werden (dadurch erhält man ein Arabisch
weitgehend ohne Flexionsendungen); bei isolierten arabischen Namen in
fremdsprachlichem Text verwendet man sie immer; und bei voll
vokalisierter Transkription verwendet man sie praktisch nicht (weil
volle Vokalisation und Verwendung der Pausalform ein Widerspruch ist),
weswegen ich Bin Laden oben mit Genitiv-/-a/ versehen habe. (Der Titel
klingt so pathetisch, daß ein Araber ihn vermutlich auch mit
Vokalendungen lesen würde.)

Philipp
Frank Zeeb
2008-07-13 13:42:20 UTC
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Post by Philipp Reichmuth
Pausalform <http://de.wikipedia.org/wiki/Pausalform> ist kurz gesagt
eine Ausspracheweise in den semitischen Sprachen, bei der Dinge am
Wortende weggelassen werden; im Arabischen betrifft das einzelne
auslautende Kurzvokale, vor allem bei Flexionsendungen (für andere
semitische Sprachen wie Hebräisch oder Akkadisch müßte ich mich zu weit
aus dem Fenster lehnen).
Das kann ich: Das Hebräische hat die Kurzvokale abgestoßen, so dass es
keine Pausalform in der Form gibt. Wo am Wortende ein Vokal in offener
Silbe steht, ist der per Definitionem lang, so dass auch hier nicht die
Rede von einer Pausalform sein kann. Und im Akkadischen bleiben diese
Vokale erhalten, so dass es da auch keine Pausalformen gibt (wir reden
jetzt nicht von Konstruktusverbindungen u.ä).

Gruß
Frank
Andreas Eibach
2008-07-13 13:58:56 UTC
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Post by Philipp Reichmuth
Post by Andreas Eibach
Also was hat es mit dieser "Pausalform" auf sich? Wann nimmt man die denn
bei Namen, und wann nicht?
Pausalform <http://de.wikipedia.org/wiki/Pausalform> ist kurz gesagt
eine Ausspracheweise in den semitischen Sprachen, bei der Dinge am
Wortende weggelassen werden; im Arabischen betrifft das einzelne
auslautende Kurzvokale, vor allem bei Flexionsendungen (für andere
semitische Sprachen wie Hebräisch oder Akkadisch müßte ich mich zu weit
aus dem Fenster lehnen). D.h. aus arabisch <كتب> /kataba/ "er schrieb"
wird /katab/, aus <محمد> /Muḥammadun/ wird /Muḥammad/, etc.
Wo man die im Arabischen nimmt, hängt davon ab, auf welcher Sprachebene
wir uns befinden (klassisches Arabisch, modernes Hocharabisch) und was
wir mit dem Text anstellen (einzelne arabische Wörter in nichtarabischer
Textumgebung, Wiedergabe eines arabischen Textes, voll vokalisierte
Transkription). Grob gesagt tritt Pausalform im klassischen Arabisch am
Satz- und Versauslaut und vor Sprechpausen auf; im modernen Hocharabisch
kann sie, soweit der Sinn dadurch nicht verloren geht, auf praktisch
alle Wörter ausgeweitet werden (dadurch erhält man ein Arabisch
weitgehend ohne Flexionsendungen); bei isolierten arabischen Namen in
fremdsprachlichem Text verwendet man sie immer; und bei voll
vokalisierter Transkription verwendet man sie praktisch nicht
(weil volle Vokalisation und Verwendung der Pausalform ein Widerspruch
ist),
Das ... leuchtet mir ein.
Post by Philipp Reichmuth
weswegen ich Bin Laden oben mit Genitiv-/-a/ versehen habe. (Der Titel
klingt so pathetisch, daß ein Araber ihn vermutlich auch mit
Vokalendungen lesen würde.)
Danke, sehr informativ!
(Und kompliziert)

-Andreas

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